Das Dilemma mit den beiden Gehirnhälften

Was sind wir? Kalte, rational isolierte Wesen, abgetrennt von unseren Gefühlen? Oder unendliches mitfühlendes Bewusstsein, im Herzen verbunden mit allem was existiert?

Aus der Tatsache heraus, dass unser Hirn aus zwei Hälften besteht, können wir ohne Probleme einen dritten Weltkrieg entfachen. Alles, was wir zu tun haben, ist, die jeweils andere Gehirnhälfte davon zu überzeugen, dass sie im Unrecht ist und das mit aller Vehemenz zu vertreten. Diese jeweils einseitige Sichtweise trägst Du dann hinaus in die Welt.

Zunächst musst Du Dich selbst in eine Art Unruhezustand versetzen, geschäftig in der Welt hin und her laufen und Dich davon überzeugen, dass Du jemand bist. Du bist wichtig, hast eine Position, ein Ansehen usw. Gleichzeitig unterdrückst Du alle Empfindungen von Schönheit, Einheit und Liebe. Das scheint nicht allzu schwer zu sein. Offensichtlich scheint es gerade die breite Masse zu sein, die sich so verhält. Linkshirnige Kontrollfetischisten, die versuchen, ein emotionales Problem mit rationalen Argumenten zu lösen. Wer kennt es nicht, den Moment in einem Meeting, in dem es heiß her geht, die Gesichter rot werden und die Emotionen auf den Tisch kommen? Es wird chaotisch, laut und hektisch.  „Alarm“ schreit die linke Hirnhälfte, „es droht Kontrollverlust, du gehst unter. Reiß die Kontrolle wieder an dich!“ Es droht tatsächlich ein Absturz in die recht Hirnhälfte in das Chaos der überschäumenden Bilder und Gefühle, in die Einheit.

Als ordentlich ausgebildeter Mensch sagst Du Dir vielleicht „Halt, Stopp, das geht zu weit, wo kommen wir denn da hin!“ und laut sagst du in solchen Momenten: „Jetzt reißt euch doch mal zusammen und lasst die Emotionen außen vor und lasst uns sachlich miteinander umgehen!“ Auf Deutsch: Rechte Hirnhälfte, halt jetzt mal die Klappe! Was passiert dann in einem Meeting? Alle schauen sich verunsichert an, was sie denn jetzt tun sollen, kaum einer sagt noch was, und nach einigen Minuten wiederholt sich dieses Szenario immer wieder, bis das Meeting ergebnislos abgebrochen wird.

Wo kommt dieses Verhalten, dieser weit verbreitete Reflex her? Es scheint sich wie eine Epidemie über die gesamte moderne Welt ausgebreitet zu haben. In einer Weiterbildung für Projektmanager führte ich das Konzept der Emotionalen Intelligenz ein, ein sehr hilfreiches Instrument, die rechte Hirnhälfte wieder anzuschalten, und ich war überrascht, welch heftige Emotionen ich dort auslöste. Einem Teilnehmer platzte sprichwörtlich der Kragen, er sprang auf und schrie mich mit folgenden Worten an: Herr Schneider, Sie mit ihrer emotionalen Intelligenz, das hat bei mir im Job nix zu suchen, das mache ich am Wochenende mit meiner Frau.“  Die Art und Weise, wie er das tat, ließ für mich nur einen Schluss zu und ich hörte folgende Aussage in seinem Hilferuf: Herr Schneider, das mit der Emotionalen Intelligenz ist für mich so schwer, und es ist schlimm genug, dass meine Frau am Wochenende immer wieder über Gefühle mit mir sprechen will, aber hier mit ihnen mache ich das auf gar keinen Fall! Er hatte offensichtlich gelernt, über lange Zeiten seine rechte Gehirnhälfte abzuschalten, hatte sich damit arrangiert und empfand es als eine unzumutbare Vorstellung, das jetzt wieder rückgängig zu machen.

Solches Verhalten ist nicht rein zufällig, sondern das Ergebnis der schulischen und weiterführenden Bildung. In einer Welt, in der Kinder dazu angehalten werden, fertiges Fachwissen auswendig zu lernen und möglichst fehlerfrei zu wiederholen, werden sie ausschließlich darauf programmiert, die linke Hirnhälfte zu benutzen. Werden sie jetzt noch unter Leistungsdruck gesetzt, sprich die Eltern machen ihnen Angst (Wenn Du das Gymnasium nicht schaffst, hast Du keine Chance in dieser Welt), dann sorgt die negative emotionale Aufladung der rechten Hirnhälfte dafür, dass sich diese Kinder besonders anstrengen in einer technokratischen Welt, perfekt funktionieren zu wollen. Haben Sie sich schon mal mit einen sogenannten High Potential nach seiner Hochschulkarriere und MBA Programm unterhalten? Sie bekommen den Eindruck, das steckt gar kein Mensch mehr drin.

Wer könnte uns dieses Dilemma besser erklären als Dr. Jill Bolte Taylor, eine Neurowissenschaftlerin, die am eigenen Leib die Auswirkungen eines Hirnschlags und damit die vorübergehende Abschaltung ihrer linken Gehirnhälfte erlebte. „Healthy brains are brains that have a lot of connections between the cells in that brain and a healthy community has a lot of connections between the people in that community.“  Dr. Jill Bolte Taylor

Video: Jill Bolte Taylors kraftvoller Schlag der Erkenntnis

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Unser volles Potential als Mensch erreichen wir ganz offensichtlich nur in der effizienten Synchronisation beider Gehirnhälften miteinander. Die gleichberechtigte Wertschätzung und Integration beider Fähigkeiten bringt einen mitfühlenden Menschen hervor, der sich seiner Verbindung mit dem Kosmos bewusst ist und sein tägliches Handeln steht im Einklang mit seinen Gefühlen.